Am 10.06.2021 organisierte Amnesty International Tübingen im Rahmen der Tübinger Menschenrechtswoche einen Vortrag zum Thema Diskriminierung queerer Eltern und strategischer Prozessführung unter dem Titel „Gleiche Rechte strategisch einklagen? Etappensieg im Kampf gegen Diskriminierung queerer Familien“. Dafür konnten wir Lea Beckmann, Rechtsanwältin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte, gewinnen. Rund einem Dutzend Teilnehmende brachte sie in knapp anderthalb Stunden die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), strategische Prozessführung im Allgemeinen sowie in Bezug auf die Rechte queerer Familien näher. Die GFF verfolgt das Ziel (wie der Name schon verrät), unsere Freiheitsrechte auf juristischem Wege zu schützen und zu verteidigen. Dies geschieht oft mit dem Mittel der strategischen Prozessführung: durch gerichtliche Klagen in Einzelfällen wird so auf eine Grundsatzentscheidung der Gerichte hingearbeitet, im Zweifel bis zum Bundesverfassungsgericht.
Lea Beckmann schilderte eindrücklich die Entwicklung der Situation queerer Familien in den letzten Jahrzehnten und wie die Fälle der GFF besonders durch das lesbische Ehepaar Ackermann ins Rollen gebracht wurden. Das deutsche Recht sieht nämlich lediglich Mutter und Vater vor und hadert damit, alle Familienkonstellationen zu akzeptieren (v.a. durch den Wortlaut von § 1592 Nr. 1 BGB). Die GFF setzt sich genau dafür ein, auch in Zusammenarbeit mit der Initiative nodoption, die dafür kämpft, dass queere Elternteile ihre Kinder nicht mehr adoptieren müssen. Der Prozess der Adoption bedeutet eine Unsicherheit, die die Eltern des Kindes diskriminiert und deswegen von der GFF als verfassungswidrig betrachtet wird.
In der anschließenden Diskussion wurde debattiert, ob man nicht auch mit den Rechten des Kindes auf zwei Elternteile argumentieren kann und inwiefern das Recht auf Information über die genetischen Eltern eine Rolle spielt. Außerdem wurde sich mit leichtem Unglauben darüber gewundert, dass es überhaupt einen so langen Prozess braucht, um etwas so selbstverständlich Erscheinendes durchzusetzen. Da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, unter anderem das Festhalten an dem „traditionellen“ Bild der Ehe zwischen Mann und Frau.
Vielen Dank an Lea Beckmann für diesen spannenden Vortrag, der Menschenrechtswoche für den gebotenen Rahmen und allen Teilnehmenden für den anregenden Austausch!
Es scheint für alle Teilnehmenden klar zu sein, dass alle Familien die gleichen Rechte genießen sollten.